Bye, Bye Haktan

Im Mai 2019 hab ich mich in der Intensivstation vom Florence Nightingale Hospital, Istanbul von dir verabschiedet. Eine überraschende Herzoperation, unvorhersehbare Komplikationen, 5 Wochen künstliches Koma und dann machten deine Nieren und die Leber nicht mehr mit. Die Ärzte waren machtlos. Kurz sah es noch nach einem Wunder aus und deine Werte fingen sich wieder. Einmal hast du sogar noch deinen Augen geöffnet. Aber dann die Nachricht dass du dich auf den Weg gemacht hast.

1991 haben wir uns kennengelernt. Ich war 31, du 22 und erst seit ein paar Wochen aus der Türkei nach Wien übersiedelt.

Ein lustiger, ungeschliffener, wilder Sunnyboy und Frauenheld. Deine Freundin machte uns bekannt. Erst viel später, als wir schon beste Freunde waren, habe ich dir erzählt, dass ich ein paar Monate zuvor ein kurzes Intermezzo mit ihr hatte. Dein türkisches Ich hätte sonst eine Freundschaft unmöglich gemacht. Das hat unserem gegenseitigen Vertrauen nie geschadet.

Deine Eltern in der Türkei glaubten, daß du in Wien Geoinformatik studierst. Dein wirkliches Ziel aber war von Anfang an auf der Bühne zu stehen und Filme machen. Ein Lichttechniker aus der türkischen Community hat dich ans Interkult-Theater vermittelt und rasch hattest du die ersten Auftritte. Und warst mein allerliebstes Fotomodell bei unzähligen Shootings.

Um Fuss zu fassen hast du neben deiner Karriere als Schauspieler alle Jobs angenommen. Im Schachthof hast du sogar Schweine zerlegt, als Moslem! Aber du hast dich in der strengen türkischen Mentalität ohnehin nie wirklich zu Hause gefühlt und warst immer neugierig und interessiert an dem „anderen“ Leben, an meinem Leben. Handwerklich hattest du zwei Linke, trotzdem habe ich dich bei meinen Event-Projekten immer eingebaut. Auf dich war einfach Verlass, du warst immer loyal. Und dankbar!

Du warst mein Trauzeuge und auf einem Eso-Seminar haben wir uns ekstatisch in die Sonnenfinsternis getrommelt. Wir haben zu Weihnachten verschneite Tannen im nächtlichen Wienerwald geschmückt um meinen kleinen Sohn mit dem Christkind zu überraschen. Deine Lebensfreude war mitreißend und ansteckend und mit jedem Jahr ist unsere Freundschaft tiefer geworden.

Wirklich Fuss fassen als Schauspieler in Österreich hat nicht funktioniert, dafür aber in der alten Heimat. Eine Rolle in einer türkischen Sitcom war der Grund dass du wieder zurück gingst.

Zwei Monate vor deinem Tod hab ich dich für eine Woche in Istanbul besucht. Ich war das erste Mal in der Türkei und voller Stolz warst du Gastgeber in deiner Welt. In diesen Tagen waren wir wie zwei kleine Jungs, hatten so tiefe Gespräche über das Leben, die Liebe, unsere Beziehung zueinander. Es war, als spürte ich das erste Mal in meinem Leben wirklich was Freundschaft bedeutet. Du hast mir von deiner größten Sehnsucht erzählt, geborgen und umsorgt zu sein. Daß Menschen da sind, die sich um dich kümmern. Und so grotestk es war, als ich dich in der Intensivstation da liegen sah, so liebevoll umsorgt von den Pflegerinnen, deiner Ex-Frau Müge und deinen Freunden, dachte ich, du hast es dir eigentlich ganz gut eingerichtet.

Und jetzt bist du weg, schon fast 4 Jahr, aber deine Bilder erinnern mich noch an dich. Beim Radfahren im Prater zünde ich jedes Mal eine Kerze bei Maria Grün für dich an. Ich sitze auf der Bank vor der kleinen Kapelle und lese deine letzten WhatsApp bevor du in den ewigen Schlaf entschwunden bist.

Wir sehen uns!